„Angefangen hat alles vor über 30 Jahren vor meiner Haustür in Berlin-Wannsee. Ich will mit dem Bus fahren und an der Haltestelle traue ich meinen Augen nicht: Da hängt ein Aufkleber mit rassistischer Botschaft. Ich steige in den Bus. Als ich 6 Stunden später wieder zurückkomme, klebt der Sticker immer noch da. Das hat mich am meisten empört, dass in der ganzen Zeit niemand ihn abgeknippelt hat.“
Irmela Mensah-Schramm ist schon einige Stunden vor ihrem Workshop „Mit bunten Farben gegen braune Parolen“ zu uns in die Michaelkirche gekommen. Sie sitzt in gemütlicher Kaffeerunde bei Stollen in unserer Küche und erzählt. Und wie! Von ihrem beeindruckenden Engagement: Seit über 30 Jahren fährt sie durch die Republik, entfernt Nazi-Sticker und übermalt kreativ rassistische Schmierereien. Kleine Kunstwerke sind so entstanden. Wir hängen an ihren Lippen, während ihr eine Geschichte nach der anderen einfällt.
In unseren Reaktionen mischen sich Neugier, Erstaunen und Empörung: Es kann doch nicht sein, dass eine fast 80 jährige Dame an vier Tagen die Woche durch Deutschland fahren muss, um die allgegenwärtigen rechten Einschüchterungen zu entfernen. Seit 2007 zählt sie jeden Sticker, den sie entfernt. Ihr Zähler steht bei über 90.000. Das müssen wir doch auch selber hinbekommen. Um das von ihr zu lernen, sind heute fast 30 Interessiert zu ihrem Workshop gekommen und sie wurden nicht enttäuscht. Plastisch erzählt sie von ihrer Arbeit. Dabei stelle ich immer wieder fest, wie nah ihr Engagement an christlichen Überzeugungen ist: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“, schrieb Paulus an seine Leute in Rom, die dort unmittelbar mit der Gewalt des römischen Imperiums konfrontiert waren. In diesem Sinn lässt sich Irmela Mensah-Schramm nicht nur nicht von rechter Gewalt überwinden, sondern leistet einen ausdauernden Beitrag diese Gewalt zu überwinden.
Was mich daran besonders begeistert hat: Es ist ein gangbarer Weg. Ein Engagement, dass ich einfach machen kann. Hier vor meiner Haustüre. Bei jedem Spaziergang durch unser Spremberg sehe ich rassistische, gewaltverherrlichende, faschistische Sticker. Ich nehme mir vor: bei jedem Spaziergang sollen es weniger dieser Hassbotschaften werden. Dafür braucht es nicht viel. Irmela Mensah-Schramm zeigt uns ihre Tasche. Darin: Ein Ceranfeld-Schaber, Nagellackentferner und Wattepads. Das passt nun wirklich in jeden Beutel und wer ganz mutig ist, der packt sich noch eine Spraydose ein.
Ein wirklich inspirierender und ansteckender Besuch. Danke, Irmela Mensah-Schramm.